Berichte von Eltern
Gespräche mit meinem Sohn übers Lernen
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Mein Sohn ist jetzt 13,5 Jahre alt. Er macht sich im letzten Jahr vermehrt Gedanken darüber, wie es wohl in anderen Schulen ist. Wie es sich für Kinder wohl anfühlt, die dort sind und dort lernen sollen.
Etwa vor einem Jahr hatte er mal nachdenklich gesagt: “Ich hab noch nie was gelernt.”
Dazu muss man wissen, dass er einiges “kann”, was man durchaus “gelernt” haben muss, um es tun zu können. Unter vielen Dingen, die ich aufzählen könnte, sind natürlich auch lesen, schreiben, und rechnen dabei. Und in einem Fachgebiet, das ihn sehr stark interessiert, der Aquaristik, ist er äußerst vertraut mit vielen Details und Zusammenhängen, die Fische, Pflanzen und ihre Ökosysteme betreffen. Nicht zu vergessen, dass er viele Fische mit ihrem jeweiligen zoologischen Namen (lateinisch) benennen kann. Dies beinhaltet zwar weniger komplexes Wissen, als das, was nötig ist, um ihre Lebensräume, ihr Verhalten und die Ökosysteme zu betrachten, aber manche Menschen, z. B. sein Großvater, sind gerade von lateinischen Namen schwer beeindruckt.
Und dieser ins Jugendalter hineinwachsende 12-Jährige sagte, er habe noch nie etwas gelernt?
Grund dafür ist folgendes:
Er spürte, wie die meisten Menschen das Wort “lernen” benutzen. Er spürte all den Druck, der darauf lastet. Und der Vorgang ist ja ein anderer: Noch nie hat ein Erwachsener zu ihm gesagt: “Bis übermorgen musst du 10 Fische mit lateinischem Namen benennen können.” Er musste noch nie eine solche Anweisung erfüllen. Er hat sich die lateinischen Namen an irgendeinem Tag angeschaut, als er selbst es total spannend fand. Und als er sie mehrfach an unterschiedlichsten Tagen angeschaut hatte, konnte er plötzlich mehrere auswendig. Und manche wollte er dann gezielt auswendig sprechen können und hat sie gezielt versucht, sich zu merken. Aber er hat noch nie “im Auftrag” gelernt. Er hat noch nie gesagt gekriegt, er müsse etwas in sein Gehirn reinkriegen, für einen bestimmten vorgegebenen Tag. Er hat sich noch nie im Zwange eines solchen Auftrags über Bücher, über Fische oder andere Objekte gebeugt.
In diesem Sinne hat er total recht: Er hat noch nie so gelernt, wie es an anderen Schulen üblich ist.
Dieses Jahr im Herbst hat er das selbe Thema wiedermal betrachtet: Er hat mich ausgefragt und wollte bis ins Detail wissen, wie so ein Schulvormittag in einer anderen Schule vor sich geht. Ich habe versucht, so konkret wie möglich normalen “Frontalunterricht” zu beschreiben, aber auch andere Möglichkeiten, die in Schulen eingesetzt werden, wie z. B. Gruppenarbeitsformen und Projektarbeit. Erstmal war er vor allem darüber entsetzt, dass es als normal gilt, häufig 45 Minuten am Stück auf dem selben Platz am Tisch sitzen zu müssen. (“Das ist ja wie ein Gefängnis”) Meist 4x und mehr innerhalb nur eines Vormittages. Er konnte überhaupt nicht verstehen, dass Schüler das überhaupt durchhalten. Und er konnte auch nicht nachvollziehen, dass man Schüler, die es nicht durchhalten, versucht dazu erziehen, dass sie es durchhalten, z. B. ihnen Strafarbeiten gibt, wenn sie sich nicht an die Still-sitz-regeln halten oder anderen wegen diagnostizierter Konzentrationsschwäche Medikamente gibt.
Dann dachte er weiter über diese Art des Lernens nach und schüttelte den Kopf darüber, dass das echt so sein kann, dass Schüler nur Dinge tun, die der Lehrer bestimmt und entscheidet. Er wusste ja schon, dass an anderen Schulen die Lehrer bestimmen, aber dass sie den ganzen Vormittag bestimmen, also so viel, die ganze Zeit, das konnte er sich fast nicht vorstellen, wie das gehen soll. Es beschäftigte ihn stark, dass die Schüler sich nicht aus eigenem Impuls für etwas interessieren dürfen. Dass sie sich stattdessen für etwas anderes interessieren MÜSSEN. Und dass sie das, was sie selbst gerade interessiert, nicht tun dürfen, nicht denken dürfen, dass das “schlecht” ist, falls es nicht zum Unterrichtsgeschehen passt.
“Das ist doch nicht Lernen!”. “Das, was die machen, ist ja gar nicht lernen.”
Aus seiner jetzigen Perspektive kann er mit seinem inzwischen erworbenen abstrakten Denken anschauen, wie er selbst sich in Themengebiete vertieft: Dass er z. B. während seiner Beschäftigung mit einem Thema jederzeit und frei unterschiedlichste Abzweigungen einschlagen kann: Er kann die Art und Länge des Betrachtens wählen, er kann Pausen wählen, er kann andere Medien benutzen, speziellere Seitenarme des Themas anschauen, oder ein völlig anderes Thema anschauen und den Kontrast ausloten, und und und.
Es wurde für ihn und für mich sehr sichtbar und spürbar, dass er die ganze Komplexität eines Wissensgebietes und Themas wie einen Reichtum spürt, wie ein Gelände, dass er erkunden und begehen kann, so wie ER es gerade möchte… den Reichtum schöpfen wie in einem Fluss voller Wasser spielen: z.B. eine Sache stundenlang betrachten und wiederholen, oder nur kurz und dann beiseite legen, andere “Werkzeuge” aufsuchen: Mikroskope, Computer, Schreibzeug, Malzeug, Naturanschauung, Bücher, Gesprächspartner… Und innerlich kann seine Fragestellung ungebremst und ungestört weiter wirken, während er auf Sofas sitzt, auf Klettergeräten turnt, während er die Erde berührt, in Fußballspiele verwickelt ist oder was auch immer sonst noch alles tut. Vielleicht nimmt seine Auseinandersetzung mit einem Thema eine ganz neue Wendung, weil er beim Händewaschen plötzlich die Wasserwirbel spürt und betrachtet, beim Salatsauce machen die Unvermischbarkeit von Öl und Essig prüft oder beim Blick auf die Weltkarte plötzlich fragt, wie groß denn eigentlich die Gewässer sind, in denen die Fische leben. Etc. Etc. Etc. Das hängt alles so komplex miteinander zusammen.
Lebendiges Lernen ist so komplex wie das Leben selbst.
Lernen und das Wort „Lernen”
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Seminarwochenende im Sommer 2015: ”Freie Enfaltung für Kinder”
Während des Seminars im Maturanahaus, am Samstag, 12. September 2015, tauchte die Frage auf, wie man denn dann, weil es ja beim freien aktiven Lernen keine Klassenarbeiten und Prüfungen gibt, feststellen könne, was ein Kind “schon kann”. Ich vermische im folgenden Text Gesprächsbeiträge von Benjamin und Robina während des Seminars sowie meine eigenen Notizen und meine anschließend (beim nochmaligen Abschreiben) entstandenen Gedanken.
Man kann weder durch Prüfungen noch durch Klassenarbeiten herausfinden, was ein Kind kann. Man will etwas kontrollieren oder über das Kind rauskriegen, aber das geht nicht! Hier liegt in unserem landläufigen Denken, ein gewaltiger Irrtum vor! Wir denken, wenn das Kind eine “richtige” Antwort in der Klassenarbeit schreibt, dann hat es was gelernt.
Aber Lernen ist eigentlich etwas ganz anderes.
Das Wort Lernen wird oft in einem Zusammenhang benutzt, der gar nicht der eigentlichen Bedeutung entspricht.
Wenn in der Schule eine Klassenarbeit geschrieben wird, geht der Lehrer (und alle Beteiligten) davon aus, dass man dadurch herausfinden könne, ob das Kind den Inhalt seines Unterrichts “gelernt” habe. Eine richtige Antwort gilt als Beweis für „gelernt”. Ein richtiges Mathe-ergebnis wird als Beweis dafür gesehen, dass das Kind gelernt hätte, zu rechnen.
Aber in der Klassenarbeit wird NICHT erfasst, was das Kind GELERNT hat, sondern es wird lediglich festgestellt, ob es die Anweisungen des Lehrers befolgt. Bei einem Kind, das eine herkömmliche Schulrechenaufgabe nach der Übung mit seinem Lehrer „richtig löst”, wissen wir nicht, ob es die Aufgabe rechnen kann, in dem Sinne, dass es verstanden hat, begriffen hat, was dahinter steckt. Das Einzige, das wir mit Sicherheit sagen können, ist, dass das Kind auf die Weise mit den Zahlen umgeht, wie der Lehrer sich das wünscht. Es benutzt die Zahlen so, wie der Lehrer es vorgemacht hat. Die meisten Kinder schaffen es mehr „schlecht als recht”. Von vielen würde nicht mal der Lehrer sagen, sie haben es „verstanden”. Darum geht es irgendwie auch nicht. Es geht darum, dass sie es „richtig” machen. Es geht, wie so oft, um das Erfüllen der Erwartungen des Erwachsenen. Der Lehrer und die Eltern wollen, dass das Kind die Aufgaben “richtig” beantwortet. Hier gilt als „richtig”: so, wie der Lehrer es vorgegeben hat.
- Lernvorgänge sind etwas ganz anderes.
- Lernen können wir nicht sehen.
- Lernen findet innen statt.
- Das sind feinste, tiefste und hochkomplexe Vernetzungsprozesse. Innerlich bilden sich durch viele und verschiedenste Vernetzungen neue Strukturen in uns aus.
- Lernen ist Vernetzung und Strukturbildung.
Man kann das vergleichen mit dem Knüpfen eines großen Fischernetzes: viele, viele Maschen und Querverbindungen.
Und je feinmaschiger das Netz wird, desto mehr Schätze kann ich damit aus dem Meer fischen.
Lernen in diesem Sinne bereitet uns umfangreich für alle möglichen (!) Aufgaben und Herausforderungen des Lebens vor. Solche Aufgaben und Herausforderungen (verschiedenster Art) können durchschaut und gelöst werden, weil wir vorher unser inneres Fischernetz gewoben haben.
Aber das Erfüllen von speziellen Aufgaben nach Erwartungen eines Lehrers hilft nicht dafür, dass unsere innere Struktur positiv wächst. Im Gegenteil, durch eingleisige Aufgabenstellung, enge Leistungsvorgaben, Ängste und Druck wird die eigentliche Arbeit der Strukturbildung massiv gestört und durchkreuzt.
Was hilft zur Strukturbildung? Alles, was die Kinder tun, seit sie geboren (seit sie gezeugt) sind! Alle Stadien ihres Reifens im Säuglingsalter, im Kleinkindalter, im Kindergartenalter, etc.
Alle ihre vielseitigen, spontanen Tätigkeiten, mit denen sie die Welt und sich selbst erkunden, alle Phasen ihrer Entwicklung. Alle Wahrnehmungen und alle Aktivitäten. Hier wird nochmal von diesem Blickwinkel aus sichtbar, weshalb es unbedingt erforderlich ist, dass die Kinder IHREN eigenen Impulsen folgen: Sie sind die Einzigen, die spontan und intuitiv wissen, was zum Weiterwachsen ihres inneren Netzes in jedem Moment gebraucht wird. Welche Tätigkeit jetzt die richtige ist, wann eine Pause dran ist, wann Wiederholungen, Rückversicherungen,…
z.B. ist Fußball spielen hierfür nicht anders zu bewerten als ein Buch lesen, im Sand spielen, liegen, sitzen, rennen oder Perlen auf ein Band fädeln, etc., etc.
All dies sind AKTIVITÄTEN, die zu Vernetzungsprozessen im Körper und im Gehirn beitragen.
Und alle Aktivitäten und Vernetzungsvorgänge in all den Jahren seit der Geburt (Zeugung) sind zusammen ein riesiger, unüberschaubarer, unkontrollierbarer, unabprüfbarer innerer Lernprozess. Die Gesamtheit aller Vernetzungsprozesse führt dann zu einem tiefsitzenden, feinstvernetzten und hochkomplexen inneren Aufbau jeder individuellen Gehirnstruktur.
Das ist EIGENTLICH Lernen.
Lernen ist das, was die ganze Zeit stattfindet, wenn wir den Raum dafür sicherstellen und unsere Kinder nicht davon ablenken oder darin stören.
Lernen ist das, was die ganze Zeit stattfindet, wenn wir dem Leben vertrauen und unserem Kind vertrauen, dass nur es selbst seine eigene Entfaltung vorwärtsbringen kann. Lernen und Entfaltung sind untrennbar miteinander verzahnt.
Allerdings ist das Verständnis und die Begrifflichkeiten von „Lernen” in unserer Gesellschaft völlig anders. Das Wort Lernen wird für genau die Art „Aufgabenausführung” benutzt, wie es an Schulen üblich ist. Dass das eine spezielle Art von Anpassungsleistung ist, und gar nichts mit Lernen zu tun hat, fällt den meisten Menschen gar nicht auf. In der Regel meint dann das Wort lernen: „gegen den eigenen Willen etwas Bestimmtes, Spezielles, so machen, wie der Lehrer das will”. Mit Wachstum und Entfaltung hat das nichts zu tun.
Ich habe oben geschrieben: „Lernen können wir nicht sehen.”
Und: „Man will etwas kontrollieren oder über das Kind rauskriegen, aber das geht nicht!”
Es mag vielleicht als Gegenargument genannt werden, dass man doch einiges aus dem Beobachten eines Kindes “ablesen” kann, dass man doch mitkriegt, wenn ein Kind z. B. eine andere Sprache (portugiesisch) sprechen lernt, oder Lesen und Schreiben lernt, oder beim Klettern etwas Neues kann.
Ja, ab und zu zeigt sich uns Erwachsenen, die wir von außen drauf schauen, ein neuer “skill”, eine Fertigkeit oder Fähigkeit, ein neues Wissen, eine neue Verhaltensweise etc. Da kriegen wir was mit.
Ja. Nur: wir dürfen das nicht verwechseln damit, dass wir jetzt WÜSSTEN, was das Kind kann und was es gelernt hat. Wir dürfen nicht wieder dem Irrtum erliegen, wir hätten Kontrolle darüber, was unser Kind kann. Es ist die äußerste Schicht, die wir zu Gesicht bekamen, aber der eigentliche Lernprozess ist tief versteckt, verborgen, nicht erfassbar, nicht sichtbar. Das eigentlich Gelernte sitzt viel tiefer und ist viel UMFANGREICHER.
Wie ein riesiger Walfisch, der normalerweise unsichtbar für uns im Meer schwimmt. Ab und zu, unplanbar, unerwartet, taucht er irgendwo an der Meeresfläche auf, wird für einen Moment sichtbar, lässt vielleicht eine Fontäne aufsteigen und verschwindet wieder in den Tiefen des Ozeans. Wir haben einen winzigen Ausschnitt zu Gesicht bekommen. Einen Bruchteil des Meisterwerks – und nur die Oberfläche davon! Wir können vielleicht etwas vom Ganzen erahnen, aber wir haben nicht das Ganze gesehen.
Vielleicht schaffen wir es, unseren Kontrollwunsch loszulassen? Vielleicht schaffen wir es, dankbar und als Geschenk anzunehmen, wenn ein Bruchteil des Meisterwerks hin und wieder für uns sichtbar wird? Wenn wir Zeuge sein dürfen von erstaunlichen und neuen Errungenschaften?
Es geht mal wieder um Vertrauen lernen.
Unser Geist mag uns eine Stütze sein, indem er uns immer wieder daran erinnert, was Lernen EIGENTLICH ist.
Und was auch hilft, ist unser eigenes Verständnis dafür, dass wir als Erwachsene nur stören und fehlleiten, wenn wir WISSEN wollen, was das Kind „kann”.
Meinen Platz als Mutter (und auch überhaupt als Mensch), den ich gerne in Demut einzunehmen lernen möchte, sehe ich hierin: Ich bin die Unwissende, was die inneren Prozesse des anderen Lebewesens betrifft.
Und als Mutter sehe ich es als „heilige Pflicht”, dafür zu sorgen, dass mein Kind, geliebt, geschützt und sicher aufgehoben, seine innere Lernarbeit bestmöglich tun kann, auch wenn ich nicht sehen kann, worums gerade geht.
Vom Freilernen zum Maturanahaus
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Kurz vor der Geburt unserer Tochter vor 6 Jahren, gab mir eine Freundin eine große Tüte voller Bücher über Tragetücher, Langzeitstillen, Das Seelenleben des Ungeborenen, Wassergeburt, und einige Themen mehr. Damals eröffneten sich mir also die ganzen Möglichkeiten alternativer Wege zur besten Kindesentwicklung.
Selber mit der Erfahrung des Gymnasiums ausgestattet, dachte ich, als unsere Tochter Kindergartenalter erreichte, daß ich ihr die klassische Schulerfahrung gerne ersparen würde. Hatte ich mich doch 13 lange Jahre auf den Schulstühlen plattsitzen müssen mit mal mehr und mit meistens weniger Interesse an dem Vorgekauten. Was ich gelernt habe ist 13 Jahre durchzuhalten und mit geringstem Aufwand durchzukommen.
Als ich mich etwas länger damit beschäftigte, fand ich heraus, daß sich fast alle sogenannten freien, alternativen, anthroposophischen und demokratischen Schulen, über einen längeren Prozess mehr und mehr den Regelschulen angepaßt hatten. Einer der wichtigsten Punkte für alle alternativen Schulen, war es immer gewesen, kleine Klassen zu haben, damit der Unterricht persönlicher würde, der Lehrer mehr Zeit und Aufmerksamkeit für jeden einzelnen Schüler hätte. Wenn ich mir Waldorfschulen, Montessori oder demokratische Schulen anschaute, so waren die Klassengrößen lange den Größen, die in den Regelschulen vorherrschten, von 25-30 Schülern angepaßt worden, meistens der Wirtschaftlichkeit wegen oder wegen Regularien, denen sich die Schule im Laufe der Jahre angepaßt hatte. Was mir vor allem aber nie gefiel, war die Tatsache, daß fast überall Gruppenunterricht in direktivem Stil stattfand, ob nun in Kreisen sitzend, auf dem Boden, mit ansprechendem Lernmaterial wie bei Montessori, oder in Eins zu Eins Betreuung. Beim direktiven Unterricht wird den Schülern von Lehrern gesagt, was und wie ein Schüler zu lernen hat. Ein vorgegebener Lernstoff wird für den entsprechenden Jahrgang präsentiert und von den Schülern wird erwartet, daß sie sich damit beschäftigen. Am Ende bekommt derjenige die beste Note, der am korrektesten den erwarteten Lernstoff wiedergibt.
Dann kam mal wirklich etwas Neues, die Sudbury Schulen. Meine Euphorie währte nur kurz, denn von der Entwicklungs-und Gehirnforschung wußte ich, daß unkontrollierter Bildschirmkonsum ein Kind unter ca.12 Jahren in seiner Entwicklung eher blockieren, als nutzen kann. Und gerade PC’s sind für Kinder jeden Alters in den Sudbury Schulen unbegrenzt mit und ohne Erwachsenenbegleitung verfügbar, wenn gewünscht.
Was also tun? Über das Internet kam ich in Kontakt mit den Freilernern, die es Allerorts gab nur nicht da wo wir wohnten. Beim Freilernen schien mir die Freiheit für die Entwicklung und Selbstbestimmtheit meiner Tochter am meisten gegeben. Wie ich heraus fand, gibt es das Freilernen in vielerlei Variationen. Da gibt es Freilerner, denen einfach zu Hause der gleiche Schulstoff, eben nur von ihren Eltern oder von Privatlehrern unterrichtet wird. Und da gibt es Freilerner, die dürfen den ganzen Tag dem folgen was sie interessiert und die Eltern sorgen dafür, daß das Kind in der Umgebung alles für sein derzeitiges Interesse vorfindet. Wir fuhren zu mehreren Zelttreffen im In-und Ausland und ich beschloß selbst eine Freilerner Interessierten Gruppe in München zu eröffnen. Was wir jetzt brauchten war Kontakt, Austausch und Unterstützung. Wir fuhren sogar nach Österreich um uns eine frei gewordene Wohnung auf einem Freilerner Hof anzuschauen. Wenn wir unserer Tochter das Freilernen über die Jahre ermöglichen wollten, blieb uns nur ins Ausland auszuwandern, wo das Freilernen legal war, oder in Deutschland in die Illegalität abzutauchen, was wir nicht wollten.
Dann erinnerten wir uns wieder unserer alten Bekannten von vor 10 Jahren, die wollten doch eine Schule gründen. Das war lange bevor ich schwanger war. Nur interessierte mich das damals nicht sehr, hatte ich ja auch noch kein Kind. Und nun war es also an der Zeit einmal dieses Maturanahaus näher kennen zu lernen. Wir machten einen Hospitationstermin aus. Ich war sofort begeistert. Das war genau das wonach wir die ganze Zeit auf der Suche gewesen waren. Und mehr noch. Mein Gefühl, wie ich mir die vollkommenste Lernumgebung für mein Kind wünschte, bekam klare Namen und Strukturen, wie Nichtdirektivität, uneingeschränkte Präsenz und Aufmerksamkeit der Begleiter, vorbereitete-entspannte Umgebung mit sämtlichen Materialien wie z.B. von Montessori, Hengstenberg und noch viel mehr, Begleiter nicht Lehrer, die die Rolle der liebevollen Aufmerksamkeit innehaben und nur bei klarer Aufforderung erklären und helfen, Jahrgangsübergreifende Gruppen, Schulversammlungen wo die Kinder sich und die Schule betreffende Themen besprechen können, Regeln aufstellen und verändern können, Projekte und Ausflüge wenn von den Kindern gewünscht. Das alles klang wie Musik in meinen Ohren. Bei meinem Mann und mir stellte sich sofortige Erleichterung ein, endlich hatten wir einen Ort gefunden, wo wir unsere Tocher guten Gewissens 4-5 Stunden am Vormittag gut aufgehoben wußten, wo sie sich weiterhin frei entwickeln konnte ohne dabei abgeschnitten, unterbrochen oder sonstwie manipuliert zu werden, und ohne Deutschland verlassen zu müssen.
Unsere Tochter geht jetzt seit letztem Jahr Sommer ins Maturanahaus und oft hüpft sie morgens vom Auto zum Schulgelände hin vor lauter Freude. Im Maturanahaus haben wir eigentlich eine Freilerner Situation erschaffen können, wobei das Hauptaugenmerk in der Familie bleibt und sich das Maturanahaus nur als erweiterte Umgebung sieht. Das Freilernen findet nicht nur zu Hause, sondern vormittags auch in der Schule statt. Der Vorteil liegt klar in der vorbereiteten Umgebung mit einer unendlichen Fülle an Materialien für jedes Alter und für fast jedes Interesse. Ich bin begeistert von der Vielzahl an Entdeckungsmöglichkeiten in den unterschiedlichsten Bereichen, wie einem Musikraum mit Instrumenten, Elektronikraum, Chemielabor, Holzwerkstatt, einem Verkleidungsraum und eine Malwand im Stil von Arno Stern, um nur einiges zu nennen. Das Beste allerdings sind immer noch die Spielkontakte für unsere Tochter auch außerhalb der Schulzeiten und die Austauschmöglichkeiten für uns Eltern. Es ist gut sich in einer größeren Gruppe wiederzufinden und kein Einzelkämpfer mehr zu sein. Hatte unsere Tochter in der Vergangenheit doch oft schmerzlich Spielfreunde vermissen müssen, die schon seit sie drei Jahre alt waren, in sämtlichen Einrichtungen von 8 bis 3 oder manchmal bis 5 Uhr wegorganisiert waren und sehr wenig Kapazitäten zum Spielen übrig hatten. Für uns Eltern war es auch oft nicht leicht in unserer unmittelbaren Umgebung Gleichgesinnte und ähnlich Denkende zu finden. Deswegen fühlt es sich sehr hilfreich und lebendig an, endlich einen öffentlichen Ort für uns alle gefunden zu haben.
Was ich merkwürdig fand ist, daß kaum einer von den Freilerner-Eltern oder alternativen Eltern das Maturanahaus kannte. Ist doch das Maturanahaus für mich das, was dem Freilernen am nächsten kommt, gelebtes Freilernen in vorbereiteter Umgebung, eben nur nicht in den eigenen vier Wänden. Ich würde es auch als legales Freilernen bezeichnen und gleichzeitig kann unsere Tochter sagen, daß sie in die Schule geht, so wie alle anderen auch. Und zusätzlich können wir uns alle weiterentwickeln und weiterlernen, auch wir Erwachsenen miteinander wachsen und lernen. Wir sind erstmal angekommen und sehr dankbar für diese Bereicherung.
Entscheidungen und Manipulationsversuche
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„DER versucht MEINE Entscheidung zu treffen, aber das geht ja nicht. Das kann ja nur ICH.”
Die Geschichte, die zu diesem Ausruf führte war folgende:
Mein 13-jähriger Sohn Max (Name geändert) erzählt mir von einem Erwachsenen, Christian (Name geändert), der gerne wollte, dass Max etwas bestimmtes tun sollte. (Ich war nicht dabei gewesen.) Christian wollte ein bestimmtes Verhalten von Max haben, hatte jedoch keine klare Vorgabe ausgesprochen. Keine “Anweisung” (im Negativen), keine “Regel (im Positiven), auch keine Grenze, an die sich Max hätte halten müssen. Wenn in einem Haushalt oder an einem Ort, an dem wir uns aufhalten, spezielle Regeln gelten, dann ist für mich und Max klar, dass wir diese respektieren, dass wir uns dran halten. Und wenn ein Erwachsener oder ein Kind eine klare Grenze ausspricht, die seinen Bereich betrifft, z.B. irgendwas, was nicht angefasst oder betreten werden darf, so respektieren wir diese Grenze.
In diesem Fall aber gab es wohl keine klar gesprochene Grenze, sondern Christian hatte versucht, durch Erklärungen und Hinweise zu bewirken, dass Max versteht, warum es “besser” wäre, so zu handeln wie Christian es wollte. Das starke Bemühen des Erwachsenen fruchtete nicht, Max tat nicht so, wie gewünscht.
Jetzt im Gespräch mit mir darüber, beschreibt Max mit leichtem Amusement diese Manipulationsversuche. Er ist zufrieden, dass er Christian, dem Erwachsenen, nicht den Gefallen getan hat, sich zu “fügen”. Max denkt über dieses vergebliche Bemühen von Christian nach, er ist entspannt, weil er weiß, dass er auf die unterschwelligen Bitten NICHT zu reagieren braucht.
Aber es beschäftigt ihn eine ganze Weile. Er findet es nicht wirklich angenehm, wenn ein Erwachsener versucht, sein Verhalten zu beeinflussen. Max spürt diesen Versuch der Beeinflussung als eine Art “energetisches Zupfen und Zerren”: Diese bemühten Vorschläge, dass er sich in einer bestimmten Art und Weise verhalten solle. Max mag das nicht.
Er denkt darüber nach, wieviel leichter die Situation für ihn gewesen wäre, wenn Christian eine Entscheidung getroffen hätte, eine klare Entscheidung, z.B. eine Grenze festgelegt hätte. Und wenn Christian als Erwachsener die Zuständigkeit übernommen hätte, für die Einhaltung der Grenze zu sorgen, statt an Max “rumzuzerren”.
Dann sinnt Max darüber nach, warum Christian es wohl nicht schafft, seine eigene Entscheidung zu treffen (hinsichtlich dessen, wo vielleicht eine Grenze sein müsse). Wenn Christian etwas Bestimmtes haben will, müsste er selbst eine klare eigene Entscheidung treffen.
Das leuchtet mir schnell ein:
Der Erwachsene umgeht die eigene Entscheidung! Er trifft einfach keine eigene Entscheidung. Er will lieber, dass sich die Kinder für ihn passend verhalten.
Zusammenfassend sagt Max:
„DER versucht MEINE Entscheidung zu treffen, aber das geht ja nicht. Das kann ja nur ICH.”
Wie wir das Maturanahaus gefunden haben
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Ich saß zu Hause in Berlin und suchte nach Wohnmöglichkeiten in Emmendingen. Wir hatten uns entschieden unserem Herzenswunsch zu folgen und irgendwo zu leben, wo es ruhiger, schöner und grüner war. Ich dachte an unsere wundervollen Söhne und suchte im Internet nach Kindergärten und Schulen in der Umgebung. Ich war sofort von der Webseite des Maturanahauses angezogen und kontaktierte die Sekretärin. Sie antwortete schnell und schlug vor, das Maturanahaus zu besuchen, wenn wir nach Emmendingen gezogen wären.
Also ließen wir das Maturanahaus in unserem Unterbewusstsein und machten weiter mit unserem Umzug quer durch Deutschland.
Sobald wir uns eingelebt hatten, fanden wir für unseren Ältesten einen Platz in einem anderen Kindergarten, den er für eine Weile genoß. Aber nach einiger Zeit wollte er plötzlich nicht mehr da hin gehen. Mein Mann und ich fühlten sofort, dass es nun an der Zeit war, uns das Maturanahaus anzuschauen. Wir bestellten Rebeca Wilds Bücher und fanden das einzige Buch, das ins Englische übersetzt worden war. Beide verschlangen wir ihre weisen Worte in unserer Muttersprache und verglichen Anmerkungen mit einem wiederhallenden, inneren und äußeren JA. Wir hatten den Ort, den wir für unsere Söhne und für uns als Familie gesucht hatten, gefunden.
Wir organisierten für uns beide Hospitationen und spürten sofort, dass dieser Ort, das Maturanahaus, genau hier in Emmendingen, unser neues zu Hause, mit großer Wahrscheinlichkeit einer der Hauptgründe war (wenn auch unbewusst), warum wir hierher geführt worden waren, hier zu leben. Es wurde offensichtlich von den Verantwortlichen mit sehr viel Herz, viel Liebe und Aufmerksamkeit fürs Detail gestaltet. Es fühlte sich einfach nur richtig an.
Nach fast zwei Monaten sehen und fühlen wir so viel positive Veränderung bei unserem Sohn(5). Sein Selbstbewußtsein und seine Kreativität blühen unglaublich.
Ich fühle so enorme Dankbarkeit, dass das Maturanahaus existiert, dass dort die Arbeit von Rebeca und Mauricio Wild so wertgeschätzt wird. Wir sind von dem wie wir hier aufgenommen wurden und dem was wir hier bereits auf dieser Reise lernen und fühlen, tief berührt.
Ein großes Dankeschön und viele anregende Momente für unsere gemeinsame Reise in den nächsten fünfzehn Jahren.