Eltern im MATURANAHAUS
Selbstbestimmung oder Die Reise des unglücklichen Prinzen
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als Teil einer Festrede von Benjamin Herre zum 10-jährigen Jubiläum des MATURANAHAUSES, Emmendingen, 28. September 2014
Es war einmal ein junger, unglücklicher Prinz. Der Prinz war so, wie ihn alle mochten, wie in ihm alle einen perfekten Prinzen fanden. Immer hatte er gelernt und getan, wie es seine Lehrer von ihm erwarteten, hatte alle Höflichkeitsregeln verinnerlicht, hatte kluge Worte von sich gegeben und sogar sein Aussehen war genau so, wie sich alle ihren Prinzen immer vorgestellt hatten.
Aber jeden Abend ging der Prinz in den hintersten Bereich des Palastgartens und setzte sich an das Ufer eines Flusses, der an dieser Seite die Grenze des Gartens bildete. Und immer, wenn er dort saß, fiel ihm auf, dass er unglücklich war. Als er eines Abends wieder einmal dort an dem Ufer des Flusses saß und über sich und sein Leben nachdachte, sagte der Fluss zu ihm:“Du siehst immer so traurig aus, wenn du an meinem Ufer sitzt, Prinz.“ „Ja,“ sagte der Prinz, „denn immer, wenn ich dein Gluckern, Plätschern und Rauschen höre, fällt mir auf, wie unglücklich ich bin, denn dein Gluckern, Plätschern und Rauschen hört sich so zufrieden an!“ „Das mag sein“, antwortete der Fluss, „ich weiß gar nicht, wie sich Unglücklichsein anfühlt.“ „Dann sage mir bitte, lieber Fluss, wie wird man denn glücklich?“ „Das kann ich dir nicht sagen, lieber Prinz, aber wenn du möchtest, kannst du an meinem Ufer entlang spazieren, vielleicht findest du dort jemanden, der dir deine Frage beantworten kann.“
Da entschloss sich der Prinz, fort zu gehen von seinem Palast und so lange nicht zurück zu kehren, bis er die Antwort auf seine Frage wisse. Ohne jemandem etwas davon zu sagen, lief er los, immer am Ufer des Flusses entlang stromaufwärts. Nachdem er die ganze Nacht hindurch gewandert war, setzte er sich am Morgen zum Ausruhen am Ufer auf einen umgefallenen Baumstamm, und als er so eine Weile da gesessen hatte, fiel ihm neben sich ein großer Ameisenhaufen auf, in dem Tausende von Ameisen damit beschäftigt waren, Tannennadeln und Erdkrumen heran zu schleppen und den Haufen immer höher und größer zu bauen. „Liebe Ameisen“, sagte der unglückliche Prinz,“ich bin ein unglücklicher Prinz. Könnt ihr mir vielleicht sagen, wie man glücklich wird?“ Da lachten die Ameisen und riefen:“Bist du aber ein dummer, unglücklicher Prinz, natürlich können wir dir sagen, wie man glücklich wird! Mache es wie wir: Wir schleppen den ganzen Tag lang Tannennadeln und Erdkrumen heran, um unseren Ameisenhaufen immer höher und größer zu bauen, davon wird man glücklich!“ Und sie luden ihn ein, es auszuprobieren. Drei Tage lang hob der Prinz nun Tannennadeln und Erdkrumen vom Boden auf, brachte sie zum Ameisenhaufen und half, ihn immer höher und größer zu bauen. Anfangs fühlte er sich leichter, denn es half ihm, die schweren Gedanken an seinen Palast zu vergessen. Doch bald merkte er, dass ihn das Aufheben von Tannennadeln und Erdkrumen nicht glücklich machte, und nach drei Tagen verabschiedete er sich von den Ameisen und ging weiter, und während er ging, hörte er das Gluckern, Plätschern und Rauschen des Flusses.
Bald darauf gelangte er in einen Wald mit hohen Bäumen, auf denen lauter Eichhörnchen herum kletterten. Der Prinz sprach zu den Eichhörnchen:“Liebe Eichhörnchen, ich bin ein unglücklicher Prinz, könnt ihr mir vielleicht sagen, wie man glücklich wird?“ Da lachten die Eichhörnchen und riefen:“Bist du aber ein dummer, unglücklicher Prinz, natürlich können wir dir sagen, wie man glücklich wird! Mache es wie wir: Wir klettern den ganzen Tag lang auf den Bäumen herum, sammeln Nüsse und Samen und vergraben sie im Boden, davon wird man glücklich!“ Und sie luden ihn ein, es auszuprobieren. Drei Tage lang kletterte der Prinz nun auf den Bäumen herum, sammelte Nüsse und Samen und vergrub sie im Boden. Und wieder war ihm anfangs leichter ums Herz, doch bald merkte er, dass es ihn nicht glücklich machte, auf den Bäumen herum zu klettern, Nüsse und Samen zu sammeln und sie im Boden zu vergraben, und so verabschiedete er sich von den Eichhörnchen und ging weiter.
Und während er ging, hörte er das zufriedene Gluckern, Plätschern und Rauschen des Flusses. Als er sich nach langer Wanderung zur Rast auf einen Stein setzte, da erblickte er neben sich eine Schildkröte, die in der Sonne lag und sich ausruhte. Da sprach der unglückliche Prinz zur Schildkröte:“Liebe Schildkröte, ich bin ein unglücklicher Prinz, kannst du mir vielleicht sagen, wie man glücklich wird?“ Da schmunzelte die Schildkröte und sprach:“Bist du aber ein dummer, unglücklicher Prinz! Ich kann dir sagen, wie man glücklich wird. Mache es wie ich: Den ganzen Tag lang liege ich in der Sonne und ruhe mich aus, und wenn mir zu warm wird, dann krabbele ich zum Wasser und schwimme eine Runde durch den Fluss. Davon wird man glücklich!“ Und sie lud ihn ein, es auszuprobieren. Und abermals fühlte sich der Prinz erst wohler, er lag den ganzen Tag lang neben der Schildkröte in der Sonne und ruhte sich aus, und wenn ihm zu warm wurde, ging er zum Wasser und schwamm eine Runde. Dies tat er am zweiten Tag und auch am dritten Tag, und abermals spürte er, dass es ihn nicht glücklich machte. Und als er dessen gewahr wurde, verabschiedete er sich von der Schildkröte und ging weiter und weinte viele Tränen.
Und der Fluss gluckerte, plätscherte und rauschte, und als der Prinz sich zum Ausruhen ans Ufer setzte, weinte er immer noch, und seine Tränen tropften in das Wasser des Flusses, und als er wieder reden konnte, fragte er den Fluss: „Wen kann ich denn jetzt noch fragen, was glücklich macht?“, und als er hinunter ins Wasser schaute und auf Antwort wartete, und das Wasser war an dieser Stelle ruhig und still, weil dort eine kleine Bucht war, da sah er im Wasser sein eigenes Spiegelbild und nur dort, wo Tränen ins Wasser gefallen waren, waren kleine Kringel, und in diesem Augenblick wusste er, wen er fragen müsse.
Und der junge, unglückliche Prinz stellte sich zum ersten Mal in seinem Leben selbst die Frage:“Was möchte ich tun, wie möchte ich glücklich sein?“ Und sein Herz sagte ihm, was es brauchte, um erfüllt zu sein und der Prinz verabschiedete sich vom zufrieden gluckernden, plätschernden und rauschenden Fluss. Er schritt ins Land hinein, folgte der Stimme seines Herzens und der junge, unglückliche Prinz lebte glücklich und zufrieden bis ans Ende seiner Tage.
Versuch´s ja nicht / Don´t ever try
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Diesen Song habe ich geschrieben, als ich 37 Jahre alt war. Er spiegelt meine ganze eigene “Gefangenschaft”, in der ich mich an äußeren Dingen orientiere, an Liebe, die mir (je nachdem) von außen gewährt wird und an Maßstäben, die andere Menschen haben. Ich spüre im Song meine ganze Abhängigkeit und die riesige Sehnsucht nach innerer Freiheit.
Die Aggression, die der Song birgt, rührt daher, dass ich manches unbewusste und damals unerlaubte Gefühl über Jahrzehnte in meinem Inneren verschlossen und zurückgehalten hatte. Die Aggression bricht sich Bahn in einem “etwas verspäteten” Aufbegehren gegen die Fremdbestimmung durch meine Eltern und Lehrer.
(Jetzt, mit 44, bin ich wohl ein Stückchen freier geworden, aber das geht nur Millimeter für Millimeter… Ich spüre, dass mein Bewusstsein für all meine Abhängigkeiten etwas größer und etwas gelassener geworden ist. Weg sind die Abhängigkeiten deshalb noch lange nicht 😉
Gleichzeitig lese ich in diesem Song und seinem Aufbegehren den Aufschrei jedes Kindes: immer wenn wir Erwachsene Liebe versprechen, für ein bestimmtes von uns bevorzugtes Verhalten. In meinem eigenen Versuch, freier zu werden und der Fremdbestimmung zu entgehen, lese ich den Appell unserer Kinder an uns, wirklich genau hinzuschauen! Manipulieren wir doch ein wenig herum? Wollen wir vielleicht doch ein bisschen was Bestimmtes von ihnen? Fließt unsere Liebe zu ihnen, EGAL welche Emotionen sie fühlen und welche Verhaltensweisen sie zeigen? Wie geht das, unsere Kinder bedingungslos anzunehmen?
Versuch´s ja nicht / Don´t ever try
(Ursula Belting, Dezember 2008)
Versuch´s ja nicht, mich zu etwas Bestimmten zu bringen!
Dass ich etwas tue, oder dass ich so bin, wie du findest, ich hätte zu sein.
Komm ja nicht auf die Idee, dass ich erfüllen soll, was du brauchst!
Hör auf, dir das auch nur zu wünschen!
Und versuch nicht, mich zu drängen! Dräng mich nicht, zerr nicht an mir!
– Ich bin ich!
Es ist nicht meine Aufgabe, für dich da zu sein.
Und doch schaff ichs nicht, einfach für mich da zu sein.
Alte Verstrickungen in meinem Inneren,
Sätze, an die ich gar nicht mehr glauben will.
– und ich kleb dran. Ohne dass ich atmen kann.
Verfallen dem Alten, verfangen in Fallen,
es geht nur ums Gefallen.
…denn: Ich werd´ nur geliebt, wenn ich bin, wie´s and´re wollen
Ich werd´ nur geliebt wenn ich tu was die and´ren brauchen,
Ich werd´ nur geliebt, wenn ich´s richtig mach und gut — oje,
ich will´s nicht mehr, das alte Zeug: Hey, wie komm´ ich hier raus?
Moor, Morast, ich steck hier fest!
Wie geht´s hier raus? Ich will hier nicht mehr sein!
Ich will heim zu mir nach Hause!
– wer erlaubt mir endlich, ich zu sein?
Ich will sein, was ich bin und was ich fühle!
Alles was ich habe möcht ich haben! haben! haben! haben!
Wer bin ich, was fühl ich, was ist hier in mir drin?!
Abstand! Finger weg! Ich bin ich!
(Refrain)
Don´t ever try, to make me do what you want.
Don´t ever try, to make me be the way you think I should.
Don´t ever want me to fulfil your wishes.
Don´t try to push me. Don´t force me to do what you need.
Oh Himmel, oh Sterne,
gebt mir Kraft, dass ich lerne:
Ich muss nichts tun, was einer von mir erwartet.
Ich muss nicht seinen Wunsch teilen.
Ich muss nicht seine Sehnsucht tragen.
Ich bin nicht schuldig wenn ich anders bin als er ist.
Es gibt keine Schuld.
Ich bin ich und er ist er.
Meine Aufgabe ist, für mich selbst da zu sein.
Ich will heim zu mir nach Hause
– wer erlaubt mir endlich, ich zu sein?
Ich will sein, was ich bin und was ich fühle!
Alles was ich habe möcht ich haben! haben! haben! haben!
Wer bin ich, was fühl ich, was ist hier in mir drin?!
Abstand! Finger weg! Ich bin ich!
(Refrain) Don´t ever try,…